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Konsequentes Vorgehen der Zürcher Behörden gegen Wahlplakate

TeaserbildSelbst Wahlplakate müssen den strengen Reklamevorschriften der schweizerischen Signalisationsverordnung im Interesse der Verkehrssicherheit und zur Vermeidung von Ablenkungsrisiken standhalten. Obergericht: Busse zu Recht
TAGES-ANZEIGER Online vom 17.1.05

Die vom Bundesrat erlassene Signalisationsverordnung [Download als pdf-Datei, 1,3MB] erlaubt Strassenreklamen ausserorts grundsätzlich nicht (Artikel 95 und folgende). Innerorts verlangt sie dafür einen Abstand von drei Metern zur Fahrbahn. Zu diesen Bestimmungen gibt es nur wenige Ausnahmen wie Firmenschilder oder Baureklamen, aber mehrere zusätzliche Verschärfungen, die alle das Ziel haben, den Wildwuchs zu verhindern und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

Rechtsgrundlagen siehe unten an der Seite

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Tages-Anzeiger vom 17.01.2005

Wieder unerlaubte Strassenplakate der SVP (Schweizerische Volkspartei)

Die SVP kümmert sich im Regierungswahlkampf nicht um Vorschriften. Im Unterland haben ihr die Statthalter jetzt ein Ultimatum gestellt.

Auch Ruth Genner wirbt illegal

Von Roger Keller

Seit Neujahr ist Toni Bortoluzzi (SVP) vorgerückt: an den Strassenrändern jedenfalls. Die Wahlplakate mit seinem Konterfei stehen teilweise direkt an den Strassen. Das ist gemäss Signalisationsverordnung des Bundes nicht erlaubt: Ausserorts verbietet sie jede Art von Fremdwerbung (siehe Kasten). Darauf hat die Kantonspolizei letzte Woche die beiden Statthalterämter der Bezirke Dielsdorf und Bülach aufmerksam gemacht, nachdem sie auf mehrere unerlaubte Bortoluzzi-Plakate aufmerksam geworden war.

Die Statthalter der beiden Bezirke haben rasch reagiert. Bernhard Meier (FDP, Dielsdorf) und Bruno Baur (SVP, Bülach) haben die beiden Bezirksparteipräsidenten der SVP in einem Brief umgehend auf die Vorschriften aufmerksam gemacht, welche eigentlich die Gemeinden kontrollieren müssten. Gleichzeitig haben sie der SVP ein Ultimatum gestellt: Wenn die Plakate nicht bis am kommenden Donnerstag verschwinden, wird die Polizei die Verantwortlichen bei den Statthalterämtern verzeigen. Um ein Wettrennen mit illegalen Plakaten zu verhindern, haben Meier und Baur den Brief zur Kenntnisnahme auch den Grünen und der CVP zugestellt, die mit Ruth Genner respektive Hans Hollenstein ebenfalls am Wahlkampf beteiligt sind.

Es ist dies nicht das erste Mal, dass sich die SVP mit Plakaten nicht um Gesetze und Vorschriften kümmert, obwohl sie sich sonst immer wieder auf den Rechtsstaat beruft: Im Nationalratswahlkampf 2003 pflasterte der heutige SVP-Präsident Peter Good den Kanton mit Hunderten von Plakaten zu, die nicht nur zu nahe an den Strassen, sondern auch gegen den Willen des Landbesitzers aufgestellt wurden. Diese Plakate hat der Kanton als Landbesitzer in der Folge demontiert, was in Einzelfällen auch jetzt bereits wieder nötig geworden ist. Good wurde wegen der Plakataktion vom Bezirksgericht Uster im letzten Sommer schuldig gesprochen und mit 500 Franken gebüsst, hat gegen das Urteil aber Berufung eingelegt.

SVP will auf Ultimatum eingehen

Ulrich Betschart, SVP-Bezirksparteipräsident in Bülach, bestätigte den Eingang des Briefes auf Anfrage. Um eine absichtliche Missachtung der Vorschriften habe es sich nicht gehandelt, sagte der frühere SVP-Kantonsrat. Er habe als Reaktion auf den Brief die Gelegenheit wahrgenommen und seine 21 Sektionspräsidenten aufgefordert, mit der Plakatierung für den 27. Februar endlich vorwärts zu machen. Es hingen nämlich nicht zu viele, sondern zu wenige Bortoluzzi-Plakate. Gleichzeitig habe er den Sektionspräsidenten aber auch den Brief des Statthalters beigelegt und sie auf die Regeln aufmerksam gemacht. Betschart versicherte, die nicht erlaubten Plakate würden «selbstverständlich» bis am kommenden Donnerstag entfernt. Betschart: «Wir haben genügend Scheunen.»

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Tages-Anzeiger online vom 30.7.05:

SVP-Präsident zu Recht gebüsst

Peter Good ist vor Obergericht abgeblitzt: Mehrere seiner Wahlplakate seien illegal aufgestellt gewesen, befand es. Good hatte behauptet, das freie Plakatieren sei ein Menschenrecht.

Von Roger Keller

Zürich/Uster. - Die SVP-Plakate geben nicht nur wegen ihrer Sujets immer wieder zu reden, sondern auch wegen ihrer grossen Zahl und ihrer Standorte. Vor Wahlen ist in den letzten Jahren im Kanton Zürich jeweils kaum eine Strasse frei von den Holzlatten mit den SVP-Konterfeis geblieben. Besonders üppig war es im Herbst 2003 vor der Nationalratswahl, als sich der heutige SVP-Kantonalpräsident Peter Good selber rund 400-mal in Pose brachte - teilweise auf fremdem Land ohne Rücksprache mit dessen Eigentümern und innerorts ohne amtliche Bewilligung. Vor allem aber ausserorts, wo Fremdreklamen an Strassen laut der Signalisationsverordnung des Bundes verboten sind.

Während die Baudirektion von Regierungsrätin Dorothée Fierz (FDP) die Holzgestelle auf kantonalem Land abräumen liess, taten die meisten Gemeinden nichts, obwohl sie für den Vollzug der Signalisationsverordnung zuständig sind. Anders in Uster: Dort verzeigte die Stadtpolizei den SVP-Politiker wegen illegalen Plakatierens.

Der Statthalter büsste Good darauf mit 100 Franken. Der SVP-Kantonsrat zog den Entscheid trotz des kleinen Betrages weiter - er sah darin einen grundsätzlichen Fall. Doch Good drang auch am Bezirksgericht Uster nicht durch, das die Busse im letzten Sommer auf 500 Franken erhöhte. Das akzeptierte Good ebenfalls nicht und gelangte mit einer Nichtigkeitsbeschwerde ans Obergericht. Er berief sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die dort verankerte Meinungsäusserungsfreiheit, die er verletzt sah, wenn er nicht frei plakatieren könne.

Gericht entkräftet alle Argumente

Nun liegt das Urteil vor: Good unterlag mit sämtlichen Argumenten. Das Obergericht verweist auf die strenge Praxis des Bundesgerichts: Nur schon eine potenzielle Ablenkung der Verkehrsteilnehmer durch Reklamen genüge, um diese nicht zu erlauben. Daran ändere auch der von Good vorgebrachte Umstand nichts, dass «ein Minirock innerorts» mehr ablenke. Und auch auf die Tatsache, dass die Verordnung vereinfacht werden soll, könne er sich nicht berufen. Das Ausserortsverbot für Fremdreklamen in der Signalisationsverordnung lasse keinen Ermessensspielraum zu und schliesse auch politische Werbung ein, schreibt das Gericht.

Good und sein Anwalt hatten argumentiert, die Wahlplakate seien keine Fremd-, sondern Eigenwerbung. Das sei eine falsche Definition, die nicht der Verordnung entspreche, schreibt das Gericht. Erlaubt seien ausserorts etwa Restaurant- oder Firmenanschriften - bei Wahlplakaten sei diese Ausnahme nicht möglich, da in den Wahlbüros gewählt werde, diese nicht im Eigentum der SVP seien und sich nicht ausserorts befänden. Auch den Hinweis von Good, verkehrserziehende Plakate würden immer wieder ausserorts aufgestellt, kontert das Gericht mit der Bundesgerichtspraxis, wonach diese Plakate als «andere Ankündigungen» gälten.

Good ist nun vorbestraft

Die Meinungsäusserungsfreiheit sieht das Obergericht ebenfalls nicht verletzt, wenn Good und auch alle anderen Parteien ausserorts keine Strassenplakate und innerorts nur mit Bewilligung aufstellen dürfen. Diese Freiheit schütze vor «unzulässiger Zensur durch den Staat», gebe ihm aber nicht das Recht, alle Medien dafür beliebig in Anspruch nehmen zu können. Für Ausnahmen brauche es eine gesetzliche Grundlage, und diese sei - zu Gunsten der Verkehrssicherheit - mit dem Strassenverkehrsgesetz und seinen Verordnungen vorhanden. Die Freiheit sei nicht verletzt, sondern nur eingeschränkt.

Wenn andere Kantone wie der Aargau oder die Gemeinde Bauma eine andere Praxis hätten, könne Good - der dort Gemeindepräsident ist - daraus nichts ableiten. «Es gibt kein Recht auf eine Gleichbehandlung im Unrecht», heisst es im Beschluss.

Das Obergericht hat die Beschwerde somit auf der ganzen Linie abgewiesen und den Schuldspruch des Ustermer Einzelrichters gestützt. Good muss damit neben der Busse von 500 Franken zusätzlich Gerichtsgebühren von insgesamt rund 2500 Franken und die Anwaltskosten bezahlen. Der Entscheid ist rechtskräftig, nachdem Good darauf verzichtet hat, auch noch den Kassationshof des Bundesgerichts anzurufen. Der SVP-Präsident ist damit rechtskräftig vorbestraft.

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Rechtsgrundlagen:
Strassenverkehrsgesetz Schweiz [Download als pdf-Datei, 250KB]
Verkehrsregelnverordnung Schweiz [Dowenload als pdf-Datei, 260KB]
Signalisationsverordnung Schweiz [Download als pdf-Datei, 1,3MB]




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