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Schwellen vor zürcherischen Autobahnbaustellen

TeaserbildKollisionen bei Autobahnbaustellen, die immer wieder Todesopfer zur Folge hatten, veranlassen das zürcherische Tiefbauamt zu einem einjährigen Versuch in Zusammenarbeit mit der Eidg. Technischen Hochschule ETH und der Kantonspollizei Zürich
TAGES-ANZEIGER online vom 18. März 2006:

Schwellen rütteln Autofahrer wach
Schweizer Premiere auf Zürcher Autobahnen:
Jetzt warnen drei gelbe Plastikschwellen unaufmerksame Autofahrer 150 Meter vor einer Baustelle.


Von Ruedi Baumann

Immer das Gleiche: Autofahrer überholen bis kurz vor Baustellen. Entweder sind sie waghalsig oder schlicht unkonzentriert. «Wir sehen die verrücktesten Sachen», sagt Rudolf Jäger von der verkehrstechnischen Abteilung der Kantonspolizei. «Autofahrer schreiben SMS, programmieren ihren GPS, füllen Lieferscheine aus, studieren die Karte oder Gebrauchsanweisungen.» Durchschnittlich einmal im Monat rast ein Auto im Kanton Zürich mehr oder weniger ungebremst in eine elektronische Signalwand. Hinter diesen Wänden, die Spurreduktionen anzeigen, sind Unterhaltfahrzeuge parkiert. Und vor allem arbeiten dort Menschen.

Anpralldämpfer vor Früher gabs unter den Angestellten des kantonalen Tiefbauamts regelmässig Todesopfer zu beklagen. Seit drei Jahren werden die Baustellen durch Aufpralldämpfer aus Aluminiumlamellen geschützt; Strassenarbeiter wurden seither nicht mehr getötet. Dafür wird jedes Mal der Prellbock und die elektronische Signalisationstafel ruiniert - Kostenpunkt 50`000 Franken. Ganz zu schweigen von den haarsträubenden Bremsmanövern und riskanten Spurwechseln in letzter Sekunde.
Rutschfest dank Saugnäpfen
Schwellen vor Autobahnbaustellen (Detail) / Zum Vergrößern auf das Bild klicken

«Wir wollen arbeiten und uns nicht über Autofahrer ärgern», sagte gestern Felix Muff, der Strasseninspektor auf der kantonalen Baudirektion, an einer Medienkonferenz. Er hat deshalb in Holland zwölf Schwellen aus weichem, gelbem Plastik gekauft. Dort kennt man diese seit zehn Jahren; in Deutschland sind die Warnschwellen seit fünf Jahren als «Andreasbalken» bekannt. Drei Schwellen werden im Abstand von fünf Metern leicht seitlich versetzt direkt auf die Strasse gelegt. Sie sind drei Zentimeter dick, knapp zwei Meter lang und haben Reflektoren auf der Frontseite. Dank Saugnäpfen sind sie auch bei wüsten Bremsmanövern rutschfest. Eine einzelne Schwelle kostet 400 Franken. Ein Strassenarbeiter kann sie in wenigen Sekunden von Hand montieren und wieder einsammeln.

Gestern hat im Kanton Zürich eine einjährige Testphase auf allen Autobahnabschnitten begonnen. Weil gemäss Strassenverkehrsgesetz «ohne zwingende Gründe» keine Verkehrshindernisse eingebaut werden dürfen, musste Zürich vom Bundesamt für Verkehr in Bern eine provisorische Bewilligung einholen. Der Versuch wird vom Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich begleitet. «In Deutschland und Holland hat man eine klare Abnahme der Unfallzahlen und vor allem auch deutlich weniger schwere Unfälle festgestellt», sagte ETH-Projektleiterin Cornelia Heil. Strasseninspektor Muff ist überzeugt, dass sich die Warnschwellen in der ganzen Schweiz durchsetzen werden. «Ausser den Karosseriespenglern kann niemand dagegen sein.»

Warum muss ein im Ausland bewährtes System in der Schweiz überhaupt noch wissenschaftlich getestet werden? «In Deutschland sind die Signalisationsvorschriften anders», sagt Muff. Vor allem gehts aber um Haftungsfragen. Nur wenn alle Vorschriften befolgt oder angepasst werden, können bei Unfällen Schadenersatzforderungen vermieden werden.

Der erste Versuch mit den neuen Schwellen auf der Autobahn bei Wallisellen verlief gestern eindrücklich. Die Baustelle auf der rechten Spur war wie immer 750 Meter im Voraus mit einer Tafel und 500 Meter vor der Abschrankung mit einer riesigen Signalisationswand markiert. Trotzdem drängten im Morgenverkehr alle paar Sekunden Autos auf die gesperrte Spur. Erst die ungewohnten gelben Balken 150 Meter vor der Baustelle irritierten die Fahrer sichtlich. Je nach Verkehrsdichte bremsten sie oder wechselten brav die Spur. Nur die wenigsten fuhren über die Schwellen.

Um die drei Plastikbalken unbeschadet zu überfahren, brauchts keinen robusten Geländewagen. Tests zeigten: Es rüttelt zwar ein wenig, und auch akustisch weckt ein knatterndes Geräusch unaufmerksame Autofahrer. «Höhere Schwellen können wir nicht verwenden», sagt Strasseninspektor Felix Muff, «wir wollen nicht, dass ein Vespafahrer einen Salto riskiert.»



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